Injektionsbehandlung an der Halswirbelsäule

Die cervikale Spinalnervenanalgesie (CSPA)

Prinzip
Posterolaterale Injektion eines Lokalanästhetikums, ggf. im Gemisch mit Steroiden in die foramino-artikuläre Region der unteren cervicalen Bewegungssegmente.

An der Austrittsstelle der cervicalen Spinalnervenwurzel aus dem Foramen intervertebrale bei C5/C6, C6/C7, C7/TH1 erreicht man neben dem aus dem Foramen intervertebrale austretenden Spinalnerven auch dem Ramus meningeus, der in den Wirbelkanal zurückkehrt und den Ramus dorsalis, der zur Wirbelgelenkkapsel und in die segmentalen Rückstreckmuskeln zieht. Trotz der Applikation von außen erreicht man indirekt über den Ramus meningeus auch die Nozizeptoren am hinteren Längsband im dorsalen Anulus fibrosus und in der Wirbelgelenkkapsel. Mit der cervicalen Spinalnervenanalgesie gewinnt man Einfluß auf diskogene (Ramus meningeus), arthrogene (Ramus dorsalis) und radikuläre (Ramus ventralis) Schmerzzustände im cervicalen Bewegungssegment.

Indikation
Als Indikation sind die cervicalen Wurzelsyndrome C5, C6, C7 und C8. Als weitere Indikationen gelten: Cervico-cephale Syndrome, posttraumatische Cervicalsyndrome und lokale Cervicalsyndrome mit starken Beschwerden.

Technik
Mit dem dorsalen Zugang, 3-4 cm paravertebral, erreicht man in einer Tiefe von durchschnittlich 3-4 cm, unmittelbar cranio-lateral der äußersten knöchernen Begrenzung die unteren cervicalen Spinalnerven und Anteile des Halssympathikus, ohne die Gefahr einer Durapunktion oder der Verletzung der großen Halsgefäße einzugehen.

Die cervicale Spinalnervenanalgesie wird im Sitzen bei maximaler Flexion der HWS und seitlich herunterhängenden Armen durchgeführt. Man markiert sich zunächst die Einstichstelle. Als Orientierungspunkte dienen dabei die Dornfortsätze von C6, C7 und TH1, die durch eine Längslinie miteinander verbunden werden. Die Einstichstelle liegt 3-4 cm lateral der markierten medialen Linie und auf der halben Distanz zwischen zwei Dornfortsätzen, d. h. für die Wurzel C6 zwischen C5/C6, für C7 zwischen C6/C7 und für C8 zwischen C7 und TH1. Bei den letztgenannten Segmenten erzielt man gleichzeitig den Effekt der Stellatumblockade, unseren Erfahrungen nach eher zwischen C7/TH1, als zwischen C6/C7.

Eine etwa 8 cm lange Kanüle mit aufgesetzter Spritze wird zunächst senkrecht zur Hautoberfläche in die Tiefe vorgeschoben, bis sie nach 3-6 cm Nadellänge mit der Spitze auf die sich hier dachziegelförmig überdeckenden Seitenmassen der Halswirbelbögen trifft. Nun wird die Nadelspitze unter ständiger Aspiration und leichten Vorspritzen des Lokalanästhetikums oben/außen an der seitlichen Knochenbegrenzung vorbeigeführt, und etwa 1 cm weiter vorgeschoben. Hier wird der Rest des Lokalanästhetikums injiziert. Wir verwenden 10 ccm einer 0-1,5 %igen Lidocainlösung. Man kann ebenso auch ein anderes Lokalanästhetikum nehmen. Während der Injektion signalisiert der Patient zunächst einen Schulterblattschmerz und dann u.U. einen spinal-segmental ausstrahlenden Schmerz in den Arm. Bei langsamem Vorgehen unter ständigem Vorspritzen eines Flüssigkeitspolsters (und Aspiration) können diese Schmerzphänomene auch fehlen. Wegen möglicher Komplikationen und Nebenwirkungen lassen wir die Patienten nach der Injektion eine halbe Stunde lang im Warteraum beobachten, aktive Verkehrstüchtigkeit ist am Injektionstag nicht gegeben.

Injektionswirkung
Mit der cervicalen Spinalnervenanalgesie erreicht man in erster Linie den Ramus ventralis des Spinalnerven an der Austrittsstelle des Foramen intervertebrale der unteren cervicalen Bewegungssegmente. Zielrichtung sind die afferenten Fasern des jeweiligen Spinalnerven. Mit der Injektion erreicht man aber auch den Ramus dorsalis, Ramus meningeus und die sympathischen Fasern über die Rr. communicantes. Da beim Vorschieben auch dorsale Muskelgruppen, Anteile der Wirbelgelenkkapsel und die entsprechenden Bandverbindungen mit infiltriert werden, handelt es sich bei der CSPA um eine komplexe lokale Einwirkung auf das Schmerzausgangsgeschehen an der Halswirbelsäule. Dies gilt sowohl für den akuten, gerade erst entstehenden Schmerz, als auch für das chronische Schmerzsyndrom mit verstärkter motorischer und vegetativer Reaktion.

Wenige Minuten nach der cervicalen Spinalnervenanalgesie tritt ein Wärmegefühl im Arm und u.U. in der betroffenen Kopfhälfte auf. Die Wirkung hält individuell verschieden, je nach Depoteffekt des Lokalanästhetikums 1-5 Stunden an. Unsere Untersuchungen über die Effektivität der cervicalen Spinalnervenanalgesie (Ripplin-ger, 1977, Rubenthaler 2000) haben gezeigt, daß mit einer deutlichen Besserung bei akuten cervico-brachialen Syndromen schon nach 1-3 Injektionen gerechnet werden kann, sofern sich die betroffene Etage sich klinisch neurologisch genau feststellen läßt und ein gezieltes Vorgehen erlaubt.

Das Ziel der CSPA ist nicht die vollständige Analgesie und Paralyse cervikaler Spinalnerven, wie zur Operationsvorbereitung, sondern eine Schmerzreduktion und Desensibilisierung gereizter neuraler Strukturen im cervikalen Bewegungssegment.

Nebenwirkungen und Komplikationen der CSPA
Wesentlichste Komplikation bei Spinalnervenanalgesien von C7 und C8 ist die Pleurapunktion mit Ausbildung eines Pneumothorax. In unserem Krankengut von über 15.000 cervicalen Spinalnervenanalgesien haben wir diese Komplikation in 0,03% beobachtet. Klinisch verraten sich Pleura- und Lungenverletzungen sofort durch stechende Schmerzen, Atemnot und Hustenreiz. Lebensgefahr besteht im allgemeinen nicht, das einfache Anstechen der Lungenspitze führt gewöhnlich nicht zum Pneumothorax, da sich die Verletzungsstelle sofort wieder schließt. Nur wenn erweiterte randständige Lungenalveolen oder größere Emphysemblasen angestochen werden, strömt fortlaufend Luft in den Pleuraspalt. Es besteht auch die Möglichkeit einer reflektorischen Atelektase mit nachfolgenden Pneumothorax, der sich frühestens nach 20-40 Minuten, auch erst nach einigen Tagen bemerkbar macht. In der Regel resorbiert sich die eingedrungene Luft von selbst. Es ist jedoch ratsam, den Patienten einige Tage lang stationär aufzunehmen und zu beobachten.

Eine endodurale Injektion ist bei der angegebenen Technik nicht zu erwarten und in unserem Krankengut nicht aufgetreten. Anatomische Präparationen (Krämer, 1997) haben eindeutig gezeigt, daß die Nervenwurzeltaschen lateral nicht über das Knochenmassiv hinausragen.

Kontraindikationen
Schwere Allgemeinerkrankungen, neurologische Grunderkrankungen, Anfallsleiden, bekannte Kontrastmittelunverträglichkeiten stellen, wie bei allen wirbelsäulennahen Injektionen auch an der Halswirbelsäule eine Kontraindikation dar. Besonders zu achten ist in der Nackengegend auf Hautinfektionen und infizierte Talgdrüsen.

 


Die cervikale epidurale Injektion

Prinzip
Injektion einer Steroid-Kochsalzlösung durch das interlaminäre Fenster in den Epiduralraum der unteren Halswirbelsäule.
Es handelt sich um eine Injektion, die für den neuralgiebetonten chronischen Schmerz der unteren Halswirbelsäule bestimmt ist. Die Nervenwurzel wird an der Stelle vom Antiphlogistikum umspült, wo sie von Osteophyten des Prozessus uncinatus oder (und) disloziertem Bandscheibengewebe mechanisch gereizt wird und ödematös aufgequollen eingeklemmt ist. Mit der Injektion erreicht man zweierlei:

  1. Mit der therapeutisch induzierten, lokalen Wurzelabschwellung wird die relative Raumenge in der Umgebung des Spinalnervs so weit beseitigt, daß die gestauten Epiduralvenen abfließen und das perineurale Ödem sich weiter abbauen kann.
  2. Die Nozizeptorfunktion des Spinalnerven wird in seinem empfindlichen Abschnitt unmittelbar an der Stelle der mechanischen Bedrängung abgebaut.

Indikation
Wegen des relativ hohen Aufwandes (s. Technik) wird die cervical-epidurale Injektion nur bei gravierenden Cervicobrachialsyndromen angewandt, insbesondere dann, wenn eine operative Dekompression in Erwägung gezogen wird. Wegen des erhöhten Risikos, gegeben durch die ZNS-Nähe und epidurale Kontrastmittelgabe, ist diese Behandlungsmethode nur am Ende des Behandlungsspektrums bei Therapieresistenz gegenüber allen anderen Verfahren einzusetzen.

Technik
Der Eingriff wird in stand-by-Anästhesie bei liegendem venösen Zugang und EKG Monitoring durchgeführt. Der Patient befindet sich in Bauchlage mit leichter Kyphosierung der Halswirbelsäule, um den interlaminären Zugang zu erleichtern. Am besten erreicht man den cervicalen Epiduralraum zwischen den Bögen C5/C6, C6/C7 sowie C7/TH1. Zunächst bestimmt man die Mittellinie mit einer Nadel unter Bildwandlerkontrolle und markiert diese auf der Haut. Nach Höhenfestlegung des zu behandelnden Segments im seitlichen Strahlengang führt man dann eine 22-G-Spinocan-Kanüle bis zum knöchernen Kontakt zum Wirbelbogen unter Bildwandlerkontrolle vor. Unmittelbar oberhalb des Bogenrandes schiebt man die Nadel mit einer 0,9 %igen kochsalzhaltigen Spritze unter ständigen Stempelandruck in das Ligamentum flavum, ähnlich wie bei der lumbalen-epiduralen-dorsalen Injektion vor. Plötzlicher Widerstandsverlust (Loss of Resistance) signalisiert epidurale Nadelspitzenlage. Anschließend tauscht man die NaCl-Spritze gegen eine kontrastmittelhaltige (Solutrast, wie bei der Myelografie) Spritze, welche ggf. über einen Überleitungsschlauch mit der Spinocan-Kanüle verbunden ist. Das nachfolgende Epidurogramm mit 1-2 ccm Kontrastmittelgabe soll nur die epidurale Nadellage sichern und dokumentieren. Anschließend erfolgt die Injektion von 5 ccm 0,9%iger NaCl-Lösung, versehen mit 10-20 mg Triamcinolon.

Nach der Injektion sollte der Patient noch eine halbe Stunde auf der schmerzhaften Seite liegen, damit sich die Steroidlösung in der betroffenen Unkovertebralregion sammelt.

Injektionswirkung
Die schmerzerleichternde Wirkung der cervicalen-epiduralen Injektion mit Cortison-Kristallsuspension tritt meistens erst nach einigen Stunden oder am nächsten Tag ein. Einige Patienten geben einen Soforteffekt an. In einem Behandlungszyklus von 4-6 Tagen werden 1-2 epidurale Injektionen durchgeführt, sie werden durch tägliche cervicale Spinalnervenanalgesien ergänzt.

Komplikationen
Wie bei der lumbal-epiduralen Injektion kann es auch bei der cervical-epiduralen Injektion zur versehentlichen Durapunktion mit postpunktionellem Kopfschmerz kommen. Die Verhaltensweise ist wie dort: Flachlagerung, Anal-getika- und Flüssigkeitenzufuhr. Eine intrathekale Cortisonapplikation - in der Neurologie auch therapeutisch eingesetzt - dürfte durch die vorausgehende Epidurografie weitgehend zu vermeiden sein. Eine wesentliche Komplikation stellt, wie bei allen Injektionen, die Infektion dar. Deswegen ist hier ganz besonders auf Hautunreinheiten in der Nackengegend und steriles Arbeiten zu achten.

Kontraindikationen
Kontraindikationen stellen neurologische Grunderkrankungen, Anfallsleiden, bekannte Kontrastmittelunverträglichkeiten, Hautinfektionen am Injektionsort und die üblichen Cortisonkontraindikationen dar.

 


Die cervikale Facetteninfiltration

Prinzip
Ausschaltung von Nozizeptoren in den cervikalen Wirbelgelenkkapseln durch vorübergehende Blockade mit einem Lokalanästhetikum, ggf. unter Zusatz von Steroiden.

Indikation
Indikationen stellen Cervicalsyndrome dar, die mit einer pseudoradikulären Ausstrahlung in die Arme, d. h. ohne segmentale Identifikation, einhergehen. Besonders gut sprechen die vom Ramus dorsalis des Spinalnervs ausgehenden Schmerzen an, die in die Gegend zwischen den Schulterblättern projiziert werden. Sie verstärken sich, wenn der Kopf nach hinten geneigt wird und sich die Wirbelgelenke teleskopartig ineinanderschieben. Hyperlordotische Nackenschmerzen ergeben sich z.B. bei Rundrücken infolge von Morbus Scheuermann oder Osteoporose.

Technik
Die Injektion kann beim sitzenden oder liegenden Patienten durchgeführt werden. Der Kopf sollte nicht zu stark nach vorne geneigt werden, damit das interlaminäre Fenster weitgehend geschlossen bleibt. Die dorsalen Anteile der Wirbelgelenke im hinteren Halsbereich erreicht man durch Vorschieben einer dünnen Kanüle, ca. 2 cm paravertebral, jeweils in der Mitte zwischen den Dornfortsätzen C5/C6 und C6/C7. Diese lordotischen Segmenten sind am häufigsten Ursache pseudoradikulärer Beschwerden im Cervicalbereich. Das Vorschieben der Nadel erfolgt unter ständiger Aspiration und Vorinjizieren bis zum Knochenkontakt auf der dorsalen Gelenkfacette. Man kann diese Injektion auch unter sonografischer Kontrolle durchführen (Grifka, 1992).

Vor Ort, d. h. am Wirbelgelenk angelangt, injiziert man jeweils 2 ml einer 0,5 %igen Lokalanästhesielösung. Insgesamt verbraucht man dementsprechend 10 ccm Lokalanästhesielösung. Initial empfiehlt sich als Steroid ein Lokalanästhetikumgemisch mit insgesamt 10 mg Cortison auf 10 ccm einer 0,5 %igen Lokalanästhesielösung.

Verhalten nach der Injektion
Das Verhalten nach der cervicalen Facetteninfiltration entspricht dem nach cervicaler Spinalnervenanalgesie.

 


Cervikale Triggerpunktinfiltrationen und Quaddelung

Mit der therapeutischen Lokalanästhesie von Arealen, die nicht in unmittelbarer Nähe der Halswirbelsäule liegen, erfaßt man insbesondere die sekundären Schmerzen (siehe Kapitel 1.3.4) im Schulter-/Nackenbereich. Bevorzugte Ort sind die Muskelansätze des Trapezius, des Deltoideus und der Rhomboidei. Bei Occipitalneuralgien hat sich die lokale Injektion am oberen Trapeziusrand mit einem Lidocain-Cortisonkristall-suspensionsgemisch bewährt. Durch Infiltration der Schulter-/Nackenmuskeln, insbesondere am oberen Trapeziusrand und im Bereich der Musculi rhomboidei mit Lidocain oder ähnlich wirkenden Lokalanästhetika, kann man im Zusammenhang mit einer leichten Streichmassage die schmerzhaften Muskelverspannungen lösen. Es werden 1-2 ml niedrig konzentriertes Lokalanästhetikum (Lidocain 0,5 %ig, Bupivacain 0,125% ig) injiziert (Meyer, 1987). Sinnvoll ist es gleichzeitig eine gezielte Infiltration der Hautnerven der Hinterhauptsregion durchzuführen.

Bei der kombinierten Injektionsbehandlung bieten sich Muskel- und Muskelansatzinfiltrationen als Alternative oder ergänzend zu cervicalen Spinalnervenanalgesien und cervicalen-epiduralen Injektionen an.