Injektionstherapie an der Halswirbelsäule

Das Spektrum der Behandlungsmaßnahmen bei Schmerzen, die von der Halswirbelsäule ausgehen, ist groß. Wegen der vielschichtigen Symptomatik eines Cervicalsyndroms bei der Schmerztherapie eine gewisse Polypragmasie erlaubt. Neben der primären mechanischen Komponente muß man auf sekundäre Krankheitserscheinungen wie Muskelverspannungen, Haltungsfehler und psychische Veränderungen mitbehandeln. Kausale und symptomatische Behandlungsmittel werden parallel eingesetzt.

Ursächlich für Cervicalsyndrome auf degenerativer Basis sind primär mechanische Ereignisse, wie kurzfristige Stellungsänderungen, Hypermobilität, Bandscheiben- oder Knochenvorwölbungen oder Verbiegungen. Eine kausale Therapie muß immer darauf ausgerichtet sein, eine dieser pathogenetischen Komponenten auszuschalten. Neben der primär mechanischen Komponente muß man auch sekundäre Krankheitserscheinungen, wie Muskelverspannungen, Haltungsfehler und psychische Veränderungen behandeln. Wämeanwendungen, Elektrotherapie, Massagen und Analgetika sollen diese sekundären Erscheinungen beseitigen und den Circulus vitiosus – Schmerzverspannung - Fehlhaltungsschmerz – unterbrechen. Wichtiger Bestandteil der Therapie von Cervicalsyndromen, vor allem in der akuten Phase, ist die vorübergehende Anwendung von Halskrawatten. Hiermit werden schon in der Anfangsphase alle Bewegungen unterbunden, die zu wiederholten mechanischen Irritation in der gereizten Nervenwurzel und der sensiblen Rezeptoren im hinteren Längsband und den Wirbelgelenken führen. Schmerzauslösende Kopfhaltungen ergeben sich unwillkürlich bei unbedachten Bewegungen oder im Schlaf. Darüber hinaus wird die körpereigene Wärme durch den isolierenden Verband im Schulter-/Nackenbereich gestaut und entspannt dort die Muskeln.

Krankengymnastische Übungen (Physiotherapie) sind vor allem während der Rehabilitationsphase angebracht. Bei Schmerzzuständen der Halswirbelsäule sind in erster Linie isometrische Muskelkräftigungsübungen für die Schulter-/ Nackenmuskeln angebracht. All zu starke Bewegungsexkursionen sollten vermieden werden, um Nervenwurzeln und Nozizeptoren in den Wirbelgelenkkapsel nicht noch weiter zu reizen. Alle Übungen sollten – wie alle Begleitmaßnahmen – die Flexionshaltung der Halswirbelsäule als Ausgangsstellung haben, weil bei einer Flexion von etwa 10-15 Grad die Entlastung der neuralen Elemente, vor allem in den Foramina interverte-bralia und den Wirbelgelenkkapseln am größten ist (Krämer, 1997).

Bei der manuellen Therapie kommen in erster Linie Manipulationen mit axialer Zugrichtung in Frage. Wenn die manuelle Therapie an der Halswirbelsäule auch primär auf das Wirbelgelenk ausgerichtet ist, werden die Bandscheiben bei den Bewegungsimpulsen immer in den Vorgang mit einbezogen, denn Wirbelgelenk und Bandscheibe stellen im Bewegungssegment eine funktionelle Einheit dar. Durch kurze, kräftige Traktionen, die Grundlage fast aller chiropraktischen Handgriffe an der HWS sind, kommt es zur Erniedrigung des intradiskalen Druckes, mit einer Art Sogwirkung. Eventuell nach lateral oder dorsal verschobene Bandscheibenteile können sich an ihren ursprünglichen Ort zurückverlagern. Die Kontraindikationen sind zu beachten.

Die Traktion der Halswirbelsäule zur kausalen Schmerztherapie kann entweder manuell oder mit Geräten erfolgen. Für die Streckung der HWS gibt es zahlreiche, mehr oder weniger aufwendige Vorrichtungen. Ein schonender, gut dosierbarer Zug ist mit der Glissonschen Schlinge möglich, die sich seit langem in Klinik und Praxis bewährt hat. Die Glissonsche Schlinge muß sich dem Kopf gut anpassen und darf keinen Druck auf Kinn oder Kehlkopf ausüben. Ähnlich wie bei der Physiotherapie ist auch bei der Traktionsbehandlung der HWS die richtige Lagerung des Patienten wichtig. Die Glissonsche Extension der HWS erfolgt grundsätzlich im Liegen, weil durch Wegfall des Kopfgewichtes weniger Zugkraft erforderlich ist, als im Sitzen. Die Zugrichtung sollte nicht in Verlängerung der Körperachse, sondern nach vorne, im Sinne einer leichten HWS-Kyphosierung erfolgen, möglichst in Richtung der Schonhaltung.

Chronische Schmerzen an der Halswirbelsäule gehen in erster Linie von den unteren cervicalen Bewegungssegmenten C5 bis TH1 aus. Hier finden sich einerseits die stärksten pathologisch-anatomischen Veränderungen aufgrund der besonderen Belastungssituation an der Biegungsstelle des cervico-thorakalen Überganges und andererseits liegen Spinalnerven, Sympathikusgeflecht und Arteria vertebralis in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Form- und Funktionsstörungen des Bewegungssegmentes.
Auch der Kopf-/Halsübergang ist häufig Ausgangspunkt chronischer Kopfschmerzen und Schwindelerscheinungen. Ausgangspunkte sind Gelenkkapselreizungen, Funktionsstörungen und Formveränderungen im Bereich der atlanto-occipitalen und Atlas-/Axisgelenke.

Es gibt 7 Halswirbel und 8 cervicale Rückenmarksegmente. Infolge Wachstumsverschiebung liegen Bewegungs- und Rückenmarksegmente nicht immer auf gleicher Höhe. Die von kranial nach kaudal zunehmende Verschiebung ist bereits in den unteren cervicalen Segmenten deutlich. Auf die Dornfortsätze bezogen liegen die Rückenmarksegmente im unteren Halsbereich einen Wirbel höher. Die Spinalnervenwurzeln von C4 an abwärts verlaufen nach kaudal und lateral absteigend, zu ihrer Austrittsstelle durch das Foramen intervertebrale. Segmentale Syndrome werden nach der betroffenen Spinalnervenwurzel bezeichnet. Die Zahl kennzeichnet dabei gleichzeitig den unteren Wirbelkörper des lädierten Bewegungssegmentes. Bei einem C6-Syndrom ist zum Beispiel die Bandscheibe C5/ C6, beim C7-Syndrom die Bandscheibe C6/C7 betroffen. Die Wurzel C8 tritt durch das Foramen intervertebrale C7/TH1.

Eine genaue Identifikation des betroffenen Segmentes ist für die lokale Therapie, bei der cervicalen Spinalnervenanalgesie sowie bei der Operation wichtig. Mit der Diskografie bzw. dem Distensionstest und den zahlreichen operativen Eingriffen beim Cervicalsyndrom war es in den letzten Jahren möglich, rein empirisch die Erkenntnisse vom Versorgungsbereich der einzelnen spinalen Nervenwurzeln zu ermitteln. Die cervical bedingten Wurzelreizsyndrome treten meistens monoradikulär auf. Überschneidungen und Mischsymptome können sich bei Anastomose unter den Spinalnerven, die zum Teil schon innerhalb des Durasackes stattfinden und bei gleichzeitiger Irritation zweier oder mehrerer Nervenwurzeln ergeben.

Am häufigsten sind die Wurzeln C6, C7 und C8 betroffen. Die Dermatome der Wurzelreizsyndrome mit Ausbreitung bis zur Hand zeigen im Ober- und Unterarmbereich Überschneidungen. Allen gemeinsam ist ein dorsolaterales Schmerzband und Parästhesiefelder an Schulter und Oberarm. Am Unterarm liegt das C6-Syndrom mehr auf der radialen und das C8-Syndrom mehr auf der ulnaren Streckseite. Das C7-Syndrom befindet sich dazwischen.

Halssympathikus

Von besonderer klinischer Bedeutung ist die unmittelbare Nachbarschaft der Arteria vertebralis und des Halssympathikus zur Unkovertebralregion der unteren cervicalen Bewegungssegmente. Diese nahe Nachbarschaft klärt, das beide bei den sich hier abspielenden Alterungsprozessen in Mitleidenschaft gezogen werden können und für eine vielschichtige neurovaskuläre Symptomatik in Frage kommen. Der Halsgrenzstrang des Sympathikus, der über die Rr. communicates grisei mit den Spinalnerven in Verbindung steht, bestreitet mit drei Halsganglien die vegetative Innervation der Kopf-/Halsregion und der oberen Extremitäten. Das obere umfaßt die Segmente C1-C4, das mittlere C5-C6 und das untere, das mit dem obersten Thorakalganglion zum Ganglion stellatum verschmolzen ist, die Segmente C7-TH2. Dem Ganglion stellatum kommt eine besondere Bedeutung als Großverteilerstelle zu, da alle efferenten und fast alle afferenten sympathischen Fasern der Kopf, Hals, Arm und oberen Thorax diese Stelle durchlaufen. Von hier aus gelangen die Fasern u.a. auch über den sympathischen, arteriellen Plexus der Arteria vertebralis nach kranial.

Untersuchungen von Hovelacque ((1925), Wrete (1934), Kummer (1984), Kehr und Jung (1985) und Bogduk und Mitarbeitern (1988) haben auf die Verflechtungen des Halssympathikus mit den cervicalen Spinalnerven und der Arteria vertebralis aufmerksam gemacht. Sympathische Nervenfasern ziehen von allen drei Halsganglien des Grenzstranges zu den Spinalnerven C4-C8 und umgreifen teilweise die Arteria vertebralis.