Injektionstherapie an der Lendenwirbelsäule
Lokale Schmerzsyndrome an der Lendenwirbelsäule (Lokales Lumbalsyndrom, unspezifischer Rückenschmerz)
Definitionsgemäß sind die Schmerzen beim lokalen Lumbalsyndrom auf die Lumbosakralregion beschränkt, d. h. es erfolgt keine Ausstrahlung in die unteren Extremitäten.
Kreuzschmerzen werden dort empfunden, wo sie auch entstehen. Es handelt sich somit um ein nozizeptorbestimmtes Krankheitsbild.
Ausgangspunkt der Schmerzen sind Nozizeptoren in den Kapseln der Wirbelgelenke, am hinteren Längsband und im Ligamentum interspinosum. Sekundär werden Nozizeptoren der Muskelansätze und der Muskeln selbst im Bereich der langen und kurzen Rückenstreckmuskeln mit einbezogen. Es sind vorwiegend sensible Fasern des Ramus meningeus und des Ramus dorsalis der Spinalnerven betroffen. Die dauernde reflektorische Anspannung der Rückenstreckmuskeln wird als unangenehm und schmerzhaft empfunden. Die Patienten leiden unter positionsabhängigen Kreuzschmerzen, Muskelverspannungen und Bewegungseinschränkungen der Lendenwirbelsäule. Vielfach werden die unterschiedlichen Symptome des lokalen Lumbalsyndromes unter dem Begriff "unspezifischer Rückenschmerz" zusammengefaßt, vor allem dann, wenn der Untersucher nicht genau ermitteln kann, wo der Schmerz herkommt. Dabei ist es für die gezielte lokale Therapie beim Kreuzschmerz wichtig, ob der Schmerzausgangspunkt im Wirbelgelenk, Rückenmuskel oder in der Kreuzdarmbeinfuge liegt. Wichtige Hinweise ergeben sich aus der Anamnese und aus dem manualmedizinischen Untersuchungsbefund. Auf die Bedeutung der Wirbelgelenke bei der Entstehung von Kreuzschmerzen weisen zahlreiche Untersuchter hin: Ghormley, 1933; Badley, 1941; Young, 1983; Mooney, 1976; McCall, 1979; Moran, 1988; Law, 1985; Carrera, 1980.
Die Symptome können beim lokalen Lumbalsyndrom akut einsetzen, etwa durch eine abrupte Drehbewegung des Rumpfes, aber auch schleichend ohne besondere Ursache. Häufig werden Unterkühlung und Haltungskonstanz in der Anamnese angegeben. Bei der Untersuchung kann der Patient seine Schmerzausgangspunkte in der Anfangsphase ziemlich genau lokalisieren. In der Regel finden sie sich seitenbetont im Bereich der Kreuzdarmbeinfugen und der lumbalen Rückenstreckmuskeln. Sie liegen im Versorgungsgebiet der dorsalen Äste der L5 und S1-Wurzel. Eine Dauerirritation des Ramus dorsalis läßt eine neuralgiebestimmte Komponente entstehen, wenn Schmerzen ohne Segmentbezug in die proximalen Abschnitte der unteren Extremitäten, etwa in die Gesäßregion, ausstrahlen. Neben den typischen Schmerzpunkten an den Dornfortsätzen und im dorsalen Abschnitt der Kreuzdarmbeinfugen findet sich ein mehr oder weniger ausgeprägter Hartspann der Rückenstreckmuskeln mit Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Bei akuten Schmerzsyndromen wird sofort über die motorische Reaktion eine Schonhaltung mit leichter Rumpfvorneigung, unter Umständen mit Seitneigung eingenommen. Diese Haltung sollte nicht durchbrochen werden, weil sie einen Schutzreflex darstellt, um eine weitere Irritation der Nozizeptoren in den Wirbelgelenkkapseln und im hinteren Längsband zu verhindern.
Schmerzcharakter und Schweregrad
Die Schmerzen sind durch eine bilaterale, gemischt pseudoradikulär/radikuläre Symptomatik gekennzeichnet. Oft sind mehrere Nervenwurzeln beteiligt. Neurologische Ausfälle sind auch auf die vorausgegangene Operation zurückzuführen und können nicht unbedingt dem aktuellen Krankheitsbild zugeordnet werden. Schwere neurologische Störungen sind eher selten. Die Nervenwurzeln werden durch narbige Stränge zwar stranguliert, aber nicht vollständig abgeschnürt. Pseudoradikuläre Komponenten und nozizeptorbetonte Schmerzen resultieren aus der Segmentinstabilität mit Irritation der Wirbelgelenkkapseln und der Nozizeption im hinteren Längsband.
Die im Narbengewebe teilfixierten Spinalnervenwurzeln mit ihren Ästen, die durch die Operation teilweise durchtrennt sind und freie Enden aufweisen, erlauben dem Betroffenen nur wenig schmerzfreien Bewegungsspielraum.
Die bindegewebigen Stränge an Dura und Nervenwurzel sind mit Klingelzügen vergleichbar, die bei jeder unbedachten Bewegung betätigt werden.
Nozizeptoren und afferente Fasern befinden sich in einem Dauerreizzustand. Die Spinalnerven schwellen ihrerseits an durch entzündlich-ödematöse Vorgänge und engen den Reserveraum im Wirbelkanal weiter ein. Ein Circulus vitiosus ist in Gang gesetzt. Beeinträchtigt ist in erster Linie die Gleitfähigkeit der Ischiasnervenwurzel bei der Rumpfbeugung nach vorne, was sich auch beim Anheben des gestreckten Beines und bei sog. Langsitz bemerkbar macht. Bei ausgeprägtem postoperativen Schmerzsyndrom ist das Lasegue Zeichen beidseits schon bei 10-20° positiv. Die Verschieblichkeit von Dura und Nervenwurzeln im Wirbelkanal ist oft so gering, daß sogar schon eine Vorneigung des Kopfes die typischen Beschwerden auslöst.
Patienten mit einem ausgeprägten Postdiskotomiesyndrom nach ein- oder mehrfacher Bandscheibenoperation sind in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie können weder richtig Sitzen, Stehen oder Liegen. Da gravierende neurologische Ausfälle meistens fehlen, werden diese Patienten oft als Rentenneurotiker und psychisch überlagert eingestuft.
Die Schweregrade beim Postdiskotomiesyndrom orientieren sich in erster Linie an der subjektiven Beeinträchtigung. Objektive Kriterien wie neurologische Ausfälle, Vernarbungen, Instabilität sind nicht unbedingt maßgebend. Es erfordert deswegen ein mehrfaches Gespräch mit genauer Beobachtung des Patienten durch verschiedene Personen, um den Leidensdruck definieren zu können. Relativ verläßlich ist der Test durch Anheben des gestreckten Beines im Liegen und Sitzen, einschließlich der Beobachtung beim Langsitz, beim An- und Ausziehen der Schuhe und Strümpfe, sowie bei der Rumpfvorneigung bei anderen Verrichtungen.