Die Stoßdämpfer in der Wirbelsäule verursachen oft Schmerzen. Doch Betroffenen kann geholfen werden
Anja Schneiders Rückenleiden begann in den Händen. Der Schmerz kam plötzlich. Die Pfungstädterin spielte gerade mit ihren Kindern auf dem Boden. „Ich machte irgendeine simple Bewegung, auf einmal tat der Finger weh.“ Innerhalb weniger Tage verschlimmerte sich das Leiden und zog hoch bis in das Genick – Schwindelattacken kamen dazu.
Die ersten Erklärungsversuche der Ärzte lauteten „Verdacht auf multiple Sklerose“ und „psychosomatische Symptome“. Eine Kernspinaufnahme zeigte dann die wahre Ursache: einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule, mehrere Wölbungen und Verkalkungen. „Die Bandscheibe drückte auf dort liegende Nervenbahnen“, sagt die 38-Jährige. Da im Halswirbelbereich auch Nerven verlaufen, die die Hände versorgen, schmerzten zuerst die Finger.
Fehlstellungen mit Folgen
Ganz überraschend kam das nicht. Als gelernte Feinblechnerin baute die Mutter von drei Kindern früher Küchen aus. Über Kopf arbeiten und schwere Teile heben gehörten zu ihrem Alltag. Gekrümmte Haltung und Überbelastung führen zu Fehlstellungen, die bei vielen Rückenpatienten der Anfang der Pein sind. 40 Prozent der Deutschen leiden einmal im Jahr unter Kreuzschmerzen, 12 Prozent haben wiederholt oder ständig damit zu kämpfen. Bandscheiben – die als Stoßdämpfer zwischen den einzelnen Wirbeln dienen – spielen dabei häufig eine Rolle.
„Bandscheibenschäden sind unser Tribut an den aufrechten Gang“, erklärt Dr. Theodoros Theodoridis, Oberarzt an der Orthopädischen Klinik der Ruhr-Universität in Bochum. An der Halswirbelsäule drückt der beim Menschen überdimensionierte Kopf die Bandscheiben zusammen. Im Stehen lastet auf den Puffern sogar das gesamte Gewicht des Oberkörpers – und das bei einer Grundfläche von wenigen Quadratzentimetern. Diese Belastung halten nur gut versorgte und intakte Bandscheiben auf Dauer aus.
Bandscheibe lebt von Bewegung
Doch gut versorgt werden sie im Alter meist nicht mehr. Der Hauptgrund: zu wenig Bewegung. Die Blutgefäße der Bandscheibe veröden bis zum Erreichen des Erwachsenenalters. Um trotzdem die lebensnotwendigen Nährstoffe zu erhalten, brauchen die Wirbelpuffer Bewegung. Durch ein ständiges Hin und Her saugen Faserring und Gallertkern Nährstoffe aus der Umgebung an und geben Abfallstoffe wieder ab.
„Die Bandscheibe lebt von Bewegung“, bringt es Professor Jürgen Krämer, Direktor der Orthopädischen Klinik an der Universität in Bochum, auf den Punkt. Bleibt sie aus, schreitet die Degeneration unausweichlich voran – unabhängig von anderen Therapien. Um das zu verhindern, müssen die Betroffenen ihren Rücken mit Sport und Gymnastik fit halten. „Am besten eignen sich Laufen, Schwimmen, Radfahren oder Skilanglauf“, weiß Krämer.
Bei Anja Schneider leitete Bewegung das Ende der Qual ein. Ein Neurologe stellte fest, dass eine Operation für sie nicht infrage kam. Die Therapie lautete deswegen: Medikamente zum Schmerzstillen und Krankengymnastik, um mobil zu werden. Schneider befolgte dieses Programm gewissenhaft. Es dauerte eineinhalb Jahre, dann ließ das Stechen im Rücken nach. Auf einmal konnte sie wieder alles machen, was früher nicht mehr ging, zum Beispiel Wäsche aufhängen oder Auto fahren.
Erschienen in der Apotheken Umschau