Schmerztherapie beim rückenoperierten Problempatienten

Diese Patienten haben Rücken- und Beinschmerzen nach ein- oder mehrmaliger Bandscheibenoperation bzw. nach Fusionsoperation. Die chronischen Schmerzen haben ihren Ausgangspunkt sowohl im Bereich der peripheren Nozizeption im Bewegungssegment, als auch im Bereich neuralgisch veränderter Nervenfasern. Es handelt sich somit um eine gemischte nozizeptor- und neuralgiebestimmte Schmerzsymptomatik. Die Besonderheit der Schmerzchronifizierung beim rückenoperierten Problempatienten besteht darin, daß die eigentliche Rückenoperation (als offene Bandscheibenoperation oder als Fusionsoperation) bereits sensibilisierte Nozizeptoren und zu Nozizeptoren umgewandelte Nervenfasern traf. Direkte intraoperative Traumatisierung der Nozizeptoren und neuralgisch veränderten Nerven im Wundgebiet führen zu einer weiteren nachhaltigen Schädigung. Postoperativ erfolgte eine Narbenbildung unter Einbindung neuropathisch vorgeschädigter Nervenstrukturen.

Das pathologisch-anatomische Substrat für chronische Schmerzen beim rückenoperierten Problempatienten stellen neuropathisch veränderte Nerven und sensibilisierte Nozizeptoren dar, die durch Narbenzug wiederholten Reizen ausgesetzt sind.

Schmerzcharakter und Schweregrad

Die Schmerzen sind durch eine bilaterale, gemischt pseudoradikulär/radikuläre Symptomatik gekennzeichnet. Oft sind mehrere Nervenwurzeln beteiligt. Neurologische Ausfälle sind auch auf die vorausgegangene Operation zurückzuführen und können nicht unbedingt dem aktuellen Krankheitsbild zugeordnet werden. Schwere neurologische Störungen sind eher selten. Die Nervenwurzeln werden durch narbige Stränge zwar stranguliert, aber nicht vollständig abgeschnürt. Pseudoradikuläre Komponenten und nozizeptorbetonte Schmerzen resultieren aus der Segmentinstabilität mit Irritation der Wirbelgelenkkapseln und der Nozizeption im hinteren Längsband. Die im Narbengewebe teilfixierten Spinalnervenwurzeln mit ihren Ästen, die durch die Operation teilweise durchtrennt sind und freie Enden aufweisen, erlauben dem Betroffenen nur wenig schmerzfreien Bewegungsspielraum.

Die bindegewebigen Stränge an Dura und Nervenwurzel sind mit Klingelzügen vergleichbar, die bei jeder unbedachten Bewegung betätigt werden.

Nozizeptoren und afferente Fasern befinden sich in einem Dauerreizzustand. Die Spinalnerven schwellen ihrerseits an durch entzündlich-ödematöse Vorgänge und engen den Reserveraum im Wirbelkanal weiter ein. Ein Circulus vitiosus ist in Gang gesetzt. Beeinträchtigt ist in erster Linie die Gleitfähigkeit der Ischiasnervenwurzel bei der Rumpfbeugung nach vorne, was sich auch beim Anheben des gestreckten Beines und bei sog. Langsitz bemerkbar macht. Bei ausgeprägtem postoperativen Schmerzsyndrom ist das Lasegue Zeichen beidseits schon bei 10-20° positiv. Die Verschieblichkeit von Dura und Nervenwurzeln im Wirbelkanal ist oft so gering, daß sogar schon eine Vorneigung des Kopfes die typischen Beschwerden auslöst.

Patienten mit einem ausgeprägten Postdiskotomiesyndrom nach ein- oder mehrfacher Bandscheibenoperation sind in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie können weder richtig Sitzen, Stehen oder Liegen. Da gravierende neurologische Ausfälle meistens fehlen, werden diese Patienten oft als Rentenneurotiker und psychisch überlagert eingestuft.

Die Schweregrade beim Postdiskotomiesyndrom orientieren sich in erster Linie an der subjektiven Beeinträchtigung. Objektive Kriterien wie neurologische Ausfälle, Vernarbungen, Instabilität sind nicht unbedingt maßgebend. Es erfordert deswegen ein mehrfaches Gespräch mit genauer Beobachtung des Patienten durch verschiedene Personen, um den Leidensdruck definieren zu können. Relativ verläßlich ist der Test durch Anheben des gestreckten Beines im Liegen und Sitzen, einschließlich der Beobachtung beim Langsitz, beim An- und Ausziehen der Schuhe und Strümpfe, sowie bei der Rumpfvorneigung bei anderen Verrichtungen.

Therapieansätze

Der Ansatz für die Schmerztherapie beim rückenoperierten Problempatienten ist entsprechend der nozizeptiv-neuralgischen Mischsymptomatik mit starken Veränderungen der Schmerzweiterleitung und Schmerzwahrnehmung vielschichtig. Je nach dem, ob die nozizeptive oder neuralgische Komponente im Vordergrund steht, verwendet man peripher oder zentral wirkende Anallgetika. Die meisten Patienten geben an, daß ihnen letztlich nur zentral wirkende Analgetika helfen, da in der Regel der Zentralisierungsprozeß weit fortgeschritten ist.

Mit der lokalen Injektionsbehandlung kann man direkten Einfluß auf Nozizeption und Neuralgie im voroperierten Bewegungssegment nehmen. Bewährt haben sich epidurale Injektionen und Spinalnervenanalgesien der betroffenen Segmente. Epidurale Injektionen als interlaminäre Applikation mit der Loss-of-Resistance-Technik muß ein oder zwei Segmente höher erfolgen, oder vom Sakralkanal (als epidural-sakrale Injektion) ausgehen, da der Epiduralraum im Operationsbereich mehr oder weniger verklebt ist. Direkten Einfluß auf die eingeklemmte ödematös aufgequollene Nervenwurzel gewinnt man am besten mit der epidural-perineuralen Injektionstechnik. Intradiskale Injektionen kommen dann in Betracht, wenn im postoperativen MRI oder CT noch eine breitbasige Eindellung durch Bandscheibenvorwölbung zu erkennen ist. Chronische Schmerzzustände, die vorwiegend von den Rr. dorsales ausgehen sind durch Facetteninfiltrationen und Narbeninfiltrationen anzugehen.

Um die zweite pathogenetische Komponente beim Postdiskotomiesyndrom, die Instabilität, zu behandeln, kann man den Versuch mit einer Rumpforthese vornehmen. Geeignet erscheinen Flexionsorthesen, welche eine Entlastung der dorsalen Anteile des Bewegungssegmentes bringen. Parallel ist eine isometrische stabilisierende Krankengymnastik mit Übungen aus der Entlastungshaltung unabdingbar. Die durch intensive Übungen aufgeschulte Rumpfmuskulatur soll schließlich die Funktion der Orthese übernehmen und zur Stabilisierung des voroperierten Bewegungssegmentes beitragen. Wegen der vielschichtigen Ätiologie und Pathogenese mit ebenso vielschichtiger Symptomatik ist beim Postdiskotomiesyndrom eine ebenso vielschichtige Schmerztherapie gerechtfertigt. Wichtig sind alle Maßnahmen, die den Patienten nicht noch weiter schädigen. Soweit es geht, sollten die körpereigenen Schmerzhemmungsmechanismen mobilisiert werden. Dazu zählen alle psychologischen Maßnahmen der Schmerzbewältigung und Schmerzreduktion sowie ein abgestimmtes Bewegungsprogramm (BISFR).